Einen Flagship-Store am Ufer des Museums? Kritik zur Jubiläumsausstellung "Jil Sander. Präsentieren " im Kunstgewerbemuseum am Main
Ausgestellt wird die Jubiläumsausstellung "Jil Sander. Present " an das Kunstgewerbemuseum in der Mainmetropole und brachte dem Kunstgewerbemuseum einen neuen Rekord an Besuchern. Seit der Wiedereröffnung des Gebäudes unter der Leitung von Herrn Dr. med. Matthias Wagners weiter. Aber was ist das gelungene Konzept der Messe "Jil Sander.
Noch vor der Vernissage fragte sie in der F.A.Z., ob Jil Sander ein weiteres Beispiel für das Erscheinungsbild der so populären Einzelausstellung über Modeschöpfer sein könnte. Es würde der Messe jedoch nicht genügen, ihren Messeerfolg allein durch das Kopieren eines international gültigen Erfolgskonzeptes zu erklÀren. Auf ein retrospektives Ausstellungsformat hat sich das Kunstgewerbemuseum ganz bewußt verzichtet.
Sie ist nicht nach der zeitlichen Abfolge der Schaffensphase von Jil Sander gegliedert, sondern nach verschiedenen thematischen Schwerpunkten wie Catwalk, Hinterbühne, Modekollektionen, Zubehör, Kosmetika, Modefotografie, Baukunst und Gartengestaltung. Damit wird die Schau als "neues, gegenwärtiges Werk" bezeichnet, das "durch die Anwesenheit von Jil Sander zu einem Ästhetischen wird. Statt einer anstrengenden Serie von Ankleidepuppen zeigt das Kunstgewerbemuseum eine vielseitige, mediale Darbietung.
Der großzügige Raum schafft eine Vielzahl von Bezügen zum Museumsgebäude von Herrn Dr. med. Richard Meyer und spiegelt zugleich die aufwendige Gestaltung der Jil Sander' Flagship Stores wieder. Ein eigener Teil der Schau zeigt, wie stark sie deren gestalterische Weiterentwicklung in Kooperation mit dem Architekt Dr. med. Michael Gabellini mitgestaltet hat. Nicht die Bevormundung des Besuchers, um ihm die Freiheiten seiner eigenen Erlebnisse zu ermöglichen, scheint ein überzeugender und zeitgemäßer Begriff zu sein.
Obwohl die Schau wenig Kommentar hat, wird sie doch evaluiert. Als revolutionärer Designer wird Jil Sander porträtiert, der "den Damen die Chance gibt, sich vom Deko zu befreien". "Anhand dieser Exemplare aus den wenig verwendeten begleitenden Texten werden zwei wesentliche Motive für Jil Sander deutlich: die Innovationskraft ihres Entwurfs und seine Bedeutung für soziale Reformströmungen.
Jil Sander signalisiert mit einem Porträtfoto aus der Aktion Women Pur, dass "Frauenfreiheit nicht durch Identifikation mit männlichem Manierismus gekauft werden muss". Inwieweit befreite Jil Sander (welcher?) die Zierde? Jil Sanders geforderte Innovationskraft wird immer wieder mit kulturhistorischen Avantgardebewegungen in Verbindung gebracht: mit dem Aufbauhaus, der neuen Objektivität oder einer vom Condé-Nast Verlag aus sowjetischer Propagandakunst herausgearbeiteten Zeitschriftenästhetik.
Sie werden in der Schau in Stichworten abgerufen, aber nicht durch konkrete Vergleiche verdeutlicht oder verdeutlicht. Die bestehenden Herangehensweisen an die historische Klassifikation des vielseitigen Oeuvres von Jil Sander sind daher weitestgehend nicht konkret. Der Hang zum Gemeinplatz wird deutlich, wenn beispielsweise Jil Sander seinen reduzierten Arbeitsstil mit "Tugenden aus dem evangelischen Norden" erklären will.
Doch vor allem vermissen die Messebesucher Erläuterungen, wie umwälzend Jil Sander' Entwurf war. Auf diese Weise vermittelt die Schau dem Betrachter eine diffuse Vorstellung von Jil Sander' Wichtigkeit für die Modewelt des 20. und 20. Jahrhunderts. Obwohl die Messe vorgibt, keine Einschätzungen abzugeben, macht sie in Wahrheit Einschätzungen, die keiner Rechtfertigung bedürfen.
Legendäre Klassifizierungskriterien und die Ermittlung der geschichtlichen Bedeutung von Gegenständen werden weiterhin verwendet, ohne dass die Klassifizierungskriterien jedoch durchführbar sind. Das Vermeiden solcher methodischen Defizite wäre leicht mit dem erfolgreichen Konzept der Messe verbunden. Bewährte und verständliche Bewertungskriterien und historische Einordnungen stehen weder dem beliebten Motto noch der ansprechenden Messearchitektur wider.
Aber warum das Inhaltskonzept überdenken, wenn die Messe eine überwältigende Resonanz und einen Rekord an Besuchern hat? Die Beantwortung dieser Fragen muss sich auf das Eigenbild des Hauses beziehen. Lehnt sie die kritischen Punkte als Trivialitäten ab, muss sich die Einrichtung des Hauses die Fragen nach ihrer eigenen Position und ihrer Differenzierung von anderen "ästhetischen Ereignissen" stellt.
Werden die Exponate nach willkürlich erscheinenden und zugleich durchweg positiven Gesichtspunkten beurteilt, so wird auf der Ebene einer Werbebroschüre diskutiert. Kurz um, das muss sich das Haus mit der Fragestellung abfinden, inwieweit es sich von einer Werbeaktion der Jil Sander-Marke abhebt. Dies trifft um so mehr zu, als mehrere Förderer ein ökonomisches Engagement für den Firmennamen Jil Sander haben.
Vorwürfe sind nicht zu machen, wenn sie die gesponserte Messe mit der Hoffnung auf einen handfesten Mehrwert für ihre Marken assoziieren. Es wäre aber Sache des Hauses, das Ausstellungsobjekt ausgewogen und differenziert darzustellen und seine Auswertungen verständlich zu machen. Ansonsten erhebt sich die Frage, ob das Kunstgewerbemuseum tatsächlich eine Schau über Jil Sander präsentiert - oder ob Jil Sander seinen bisher grössten Flagship Store im Kunstgewerbemuseum hat.